Genetische und Häusliche Umwelteinflüsse auf die Entwicklung der Selbstkontrolle

Die Selbstkontrolle ist eine wichtige Eigenschaft, deren Entwicklung sich über die Kindheit hinweg bis ins Erwachsenenalter zieht. In der Forschung wird dieser viel Aufmerksamkeit gewidmet, denn sie hat einen großen Einfluss auf verschiedene Aspekte des Lebens. So kann das Ausmaß an Selbstkontrolle beispielsweise mit der physischen Gesundheit, finanzieller Sicherheit oder dem Ausbildungs- und beruflichen Erfolg zusammenhängen.

Abbildung 1 – Visualisierung des Entwicklungsverlaufs der Selbstkontrolle: Geringer in der Pubertät als in der Kindheit, dann wieder höher mit dem Einstieg in das Erwachsenenalter. (Skizze)

Ida M. Mueller, Frank M. Spinath, Malte Friese und Elisabeth Hahn wollten deshalb herausfinden, wie sich die Selbstkontrolle über die Pubertät hinweg bis ins junge Erwachsenenalter entwickelt. Dazu untersuchten sie den Einfluss der Gene und der Umwelt sowie die Stabilität der Selbstkontrolle bei 13-, 19- und 25-jährigen Zwillingen aus der TwinLife-Studie.

Es zeigte sich eine Verringerung der Selbstkontrolle zwischen der späten Kindheit und der Pubertät, also zwischen den 13- und 19-jährigen Zwillingen. Zum Ende der Pubertät und im jungen Erwachsenenalter steigt jedoch die Selbstkontrolle wieder an und übersteigt dann auch das Ausmaß der Selbstkontrolle in der späten Kindheit. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich auch in der Persönlichkeitseigenschaft Gewissenhaftigkeit finden, die der Selbstkontrolle stark ähnelt. Es wird angenommen, dass die Entwicklung selbstregulatorischer Mechanismen der Entwicklung der Gewissenhaftigkeit unterliegt.

Neben der durchschnittlichen Selbstkontrolle wurde auch die Stabilität von Selbstkontrolle innerhalb der Altersgruppen beobachten. Die Stabilität konnte bei Messungen in einem Abstand von einem Jahr festgestellt werden. Die Ergebnisse deuteten auf einen Anstieg der Stabilität von Selbstkontrolle über die Altersgruppen hinweg, insbesondere jedoch in der Jugend, hin.

Des Weiteren konnte ein Anstieg des genetischen Einflusses auf die Selbstkontrolle im zunehmenden Alter der Versuchspersonen gefunden werden. Typischerweise wird dies als erfolgreiches Ausleben des genetischen Potenzials verstanden. Mit zunehmendem Alter kann es also sein, dass Personen zunehmend Möglichkeiten gewinnen, solche Umwelten für sich zu schaffen, die ihrer genetischen Veranlagung entsprechen. Im jüngeren Alter hat die getrennte Umwelt der Zwillinge noch einen größeren Einfluss als im jungen Erwachsenenalter. Dies könnten beispielsweise getrennte Freundeskreise (oder einzelne Freunde), unterschiedliche Klassen oder Hobbys der Zwillinge sein.

Abbildung 2 – Anstieg der erklärten Varianz der Selbstkontrolle durch genetische Einflüsse mit dem Alter. Gleichzeitig ist eine Verringerung der Umweltanteile erkennbar. Die Nummerierung der Balken entspricht dabei den folgenden Altersgruppen zum Untersuchungszeitpunkt:

  • 2 = 13 Jahre alt
  • 3 = 19 Jahre alt
  • 4 = 25 Jahre alt


Die Autor*innen konnten zudem einige Umweltfaktoren finden, die mit der Selbstkontrolle zusammenhängen. So scheint die Wahrnehmung sowohl eines negativen Erziehungsstils als auch einer chaotischen häuslichen Umwelt mit einem niedrigeren Ausmaß an Selbstkontrolle einherzugehen. Unter einem negativen Erziehungsstil werden beispielsweise eine geringe emotionale Wärme, negative Kommunikation oder Widersprüchlichkeiten im Erziehungsverhalten verstanden. Der Begriff der chaotischen häuslichen Umwelt beinhaltet Eigenschaften des Haushalts, wie Unordnung, wenig Ruhe oder wenig Routinen.

Im Rahmen der Untersuchung zeigten sich Unterschiede in der Wahrnehmung der Zwillinge eines Paares gegenüber dem Erziehungsstil und der häuslichen Umwelt, weshalb diese Faktoren hier zu den Einflüssen der nicht-geteilten Umwelt gezählt werden. Entscheidend sind somit also nicht nur die objektiven Faktoren, sondern auch die subjektive Wahrnehmung dieser. Die Autor*innen schlossen daraus, dass eventuelle Interventionsmaßnahmen zur Verbesserung der Entwicklung der Selbstkontrolle daher nicht auf familiärer Ebene, sondern direkt bei den betroffenen Individuen ansetzen sollten.

Zur Publikation:
Mueller, I. M., Spinath, F. M., Friese, M., & Hahn, E. (2022). Genetics, parenting, and family functioning—What drives the development of self-control from adolescence to adulthood? Journal of Personality. https://doi.org/10.1111/jopy.12723

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