Schwerpunkt

Um die Entstehung sozialer Ungleichheit genauer betrachten zu können, werden in TwinLife nicht nur unterschiedliche ursächliche Faktoren betrachtet, sondern auch verschiedene Indikatoren persönlichen und gesellschaftlichen Erfolgs bzw. Misserfolgs.

Die untenstehende Grafik gibt einen Überblick der relevanten Charakteristika. Auf Seiten der bedingenden Faktoren (links) werden sowohl genetische Anlagen, als auch Aspekte der Umwelt, in der Kinder und Jugendliche aufwachsen und leben, berücksichtigt. Auf der Seite der Auswirkungen (rechts) werden nicht nur objektive, sondern auch subjektive Informationen über den individuellen Werdegang einer Person betrachtet. Hierbei werden beispielsweise der Bildungsweg und der Arbeitseinstieg, ebenso wie die Teilnahme am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben und die subjektive Bewertung der Lebensqualität untersucht.

Kinder werden von ihrer Umwelt beeinflusst, sie können dabei aber, abhängig von ihren individuellen Merkmalsausprägungen, unterschiedlich auf diese Umwelt reagieren. Sie können auch mit ihr interagieren und sie gestalten. Um diesen wechselseitigen Prozess genau betrachten zu können, sollen die in der Grafik dargestellten Charakteristika über einen Zeitraum von 8 Jahren erfasst werden.

Studie TwinLife
Damit ist TwinLife breiter aufgestellt als die meisten vergleichbaren Zwillingsstudien, und eher wie eine klassische sozialwissenschaftliche Studie zu verstehen. So werden viele Lebensbereiche, Ergebnisse und mögliche Ursprünge sozialer Ungleichheit untersucht:

ᐅ Biologische Faktoren
Mit Hilfe von Informationen ein- und zweieiiger Zwillinge kann die Bedeutung genetischer Unterschiede für zahlreiche Entwicklungsindikatoren wie z.B. Verhaltensweisen bestimmt werden.

ᐅ Soziale Faktoren
Neben biologischen Merkmalen werden ebenso Charakteristika der Umwelt betrachtet, wie beispielsweise der sozio-ökonomische Status, die Familienumwelt und -struktur, die Beziehungen zwischen Familienmitgliedern sowie Merkmale der Nachbarschaft.

ᐅ Epigenetische Übermittlung
Durch Umwelteinflüsse können bestimmte Gene einer Person „angeschaltet“ oder „stummgeschaltet“ werden. Dies spielt z. B. bei der Entstehung von Erkrankungen eine Rolle und kann erklären, warum eineiige Zwillinge zwar dieselbe Erbanlage für Alzheimer haben können, aber nicht beide daran erkranken. Epigenetische Wechselwirkungen untersuchen wir in unserem Satellitenprojekt ➔ TECS.

ᐅ Person
Unter „Person“ ist einerseits das Individuum und sein Verhalten zu verstehen, andererseits auch seine charakteristischen Verhaltenstendenzen, die in der Psychologie als „Persönlichkeit“ bezeichnet werden. Die Persönlichkeit eines Menschen beeinflusst sein Verhalten in fast allen Bereichen seines Lebens. Durch das Modell der ➔ „Big Five“ kann eine umfangreiche Beschreibung der Persönlichkeit erfolgen. Es umfasst beispielsweise die Merkmale Extraversion, Offenheit, oder Gewissenhaftigkeit. Aber auch andere Merkmale, wie z. B. die Selbstwirksamkeitswahrnehmung, das Selbstbewusstsein, oder der Umgang mit Stress (sogenannte Coping-Stile) spielen eine Rolle.

ᐅ Umwelt
Die Umwelt umfasst alle äußeren Einflüsse. Hierzu zählt z. B., ob man in der Stadt oder auf dem Land aufwächst, die Umgebung des Wohnorts, welche Schule oder welchen Arbeitsort man besucht oder das Einkommen, das eine Familie zur Verfügung hat. Die besondere Bedeutung von Umwelteinflüssen wird im Satellitenprojekt ➔ TwinLife „Umwelt“ in den Blick genommen.

ᐅ Interaktion Person & Umwelt
Hier geht es darum, dass sich Umwelt und Person gegenseitig beeinflussen, das heißt sie interagieren miteinander. Die Umwelt wirkt einerseits auf die Personen in ihr – die Personen schaffen jedoch auch gleichzeitig die Umwelten um sich selbst herum und für Andere. So könnte sich z. B. eine extrovertierte Person eine Umwelt mit vielen Freunden schaffen, oder das Aufwachsen auf einem Bauernhof dafür sorgen, dass eine Person eher tierlieb wird. Die Kultur im weiteren Sinne (siehe „soziale und kulturelle Übermittlung“) spielt ebenfalls eine Rolle.

ᐅ Soziale und kulturelle Übermittlung
Die soziale und kulturelle Übermittlung sozialer Ungleichheiten beschreibt die Prägung der Wahrnehmung und des Verhaltens von Personen durch gesellschaftlich und kulturell geprägte Normen und Werte. Diese beeinflussen die Chancen, das Verhalten und letztlich die Erfahrungen von Personen innerhalb der Gesellschaft. Sie können so zum Entstehen oder zur Aufrechterhaltung sozialer Ungleichheiten beitragen.

ᐅ Bildung & Bildungserfolg
Hierbei werden neben kognitiven Fähigkeiten und deren Entwicklung auch Motivation und Bildungsniveau untersucht.

ᐅ Karriere & Erfolg auf dem Arbeitsmarkt
Dieser Bereich umfasst die wahrgenommene Sicherheit des Arbeitsplatzes, die Arbeitszufriedenheit, ebenso wie das Arbeitsengagement, den aktuellen Beruf und die aktuelle Position sowie Einkommen oder ggf. das Empfangen von Sozialleistungen.

ᐅ Soziale und politische Integration
Hier werden die Charakteristika des sozialen Umfelds jeder Person untersucht, wie beispielsweise die Unterstützung durch Familie, Freunde und Ehepartner. Zudem sind soziales und politisches Engagement, soziale Ressourcen und der Grad der empfundenen Zugehörigkeit von Interesse.

ᐅ Subjektive Einschätzung der Lebensqualität
In dieser Kategorie werden die emotionale Stabilität der Personen, der Selbstwert, die globale Lebenszufriedenheit und die Lebenszufriedenheit in bestimmten Bereichen zusammengefasst.

ᐅ Physische & psychische Gesundheit
Neben der Lebensqualität umfasst dieser Bereich Einschätzungen zur allgemeinen Gesundheit im Hinblick auf Krankheiten, aber auch subjektiv wahrgenommener Beeinträchtigungen sowie Angaben zum Gesundheitsverhalten.

ᐅ Verhaltensprobleme & abweichendes Verhalten
An dieser Stelle wird unter anderem kriminelles oder straffälliges Verhalten erfragt, sowie das Ausmaß an internalisiertem und externalisiertem Problemverhalten.